Christian Rathner, Der Brunnen von Epanosifi. Wege zwischen Ost und West.
Graz 2015.
192 S.
ISBN 978-3-22213469-2

Buchcover

Eine Reise in das Ursprungsland Europas wird zu Suche nach Quellen, aus denen es heute schöpfen kann.

Arsenios Kardamakis, geboren in Kreta, ist seit 2011 Metropolit der griechisch-orthodoxen Kirche für Österreich und Ungarn, vorher war er seelsorgerlich in Deutschland und Frankreich tätig. An die Orte seiner Herkunft und in das Klosters Epanosifi, dem er als Mönch angehört, kehrt er Metropolit immer wieder zurück, um aufzutanken. Damit ist immer auch eine Reise zwischen zwei unterschiedliche geistige Welten verbunden Der ORF-Journalist Christian Rathner hat den Metropoliten an den Ort, an dem er aufgewachsen ist, sowie in sein Kloster begleitet. Der Brunnen dieses Klosters, der auf dem Schutzumschlag abgebildet ist, wird dabei zum einen zum Zeichen für die Quellen, an die der Metropolit immer wieder zurückkehrt, um aus ihnen zu schöpfen und zum anderen für sein (des Brunnens) Angebot, an die vielen anderen Menschen, die nach Wasser suchen, es sich aus ihm zu nehmen. Obwohl sie oft nahe am Brunnen sitzen, gelingt es ihnen nicht, den Wasserhahn aufzudrehen. – Nahe am Wasser und dennoch verdursten ist nach Einschätzung des Metropoliten und der Mönche des Klosters das Problem des Europas von heute. Deutlich zeigt es sich an der Griechenland-Krise: Europa hat zu lange auf falsche Quellen gesetzt und verschließt vor den wirklichen immer noch die Augen. Diese wirklichen Quellen sind – wie der Brunnen – nicht aufdringlich, sondern bieten an. Für die Mönche von Epanosifi ist es die Haltung Gottes zu den Menschen, wie sie das Evangelium beschreibt: Freiheit, Liebe, Geduld, Menschlichkeit, Solidarität. Diese Quelle steht allen offen: Suchenden, Skeptikern, Religionskritikern, Atheisten, Kosmopoliten – wie sie es in der von der östlichen wie von der westlichen Welt geprägten Geschichte Kretas immer gegeben hat – und ermöglicht ein befruchtendes Miteinander.

Verf. versteht es faszinierend, die Person des Metropoliten und sein Denken, das ganz von den geistigen und geschichtlichen Erfahrungen seiner Insel geprägt ist, zu erspüren, mit der aktuellen Situation zu verknüpfen und daraus Folgerungen aufzuzeigen. Nach mehrmaliger Lektüre dieses vielschichtigen Buches bleibt nur der Wunsch, dass viele Menschen Europas aus den wirklichen Quellen schöpfen mögen und die Angebote, die ihnen dabei helfen können, nutzen. Nicht nur die Mönche von Epanosifi bieten sie an. (Hanns Sauter)

Buchbesprechung: „Der Brunnen von Epanosifi”