(aus: Rundbrief 2012/2)
Polen war das erste nicht mehrheitlich orthodoxe Land, das Patriarch Kirill I. von Moskau und Ganz Russland besuchte. Der Besuch galt in erster Linie den ca. 400.000 Gläubigen der Poln.-orth. Kirche, an ihrer Spitze Metropolit Sawwa von Warschau und Ganz Polen, setzte aber auch wichtige Signale für einen historischen Prozess der Versöhnung zwischen der Russ. Orth. Kirche und der Kath. Kirche.
In einer feierlichen Zeremonie unterzeichneten der Moskauer Patriarch und der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Józef Michalik, am 17.8. im Warschauer Königsschloss eine gemeinsame Erklärung, die sich zum „Weg eines ehrlichen Dialogs“ bekennt, um „die Wunden der Vergangenheit zu heilen“ (Foto). Nach Patriarch Kirill ist das „der erste Schritt dazu, dass die Menschen anfangen, um eine Verbesserung unserer bilateralen Beziehungen zu beten“. Beobachter sprechen von einem historischen Durchbruch in den Beziehungen zwischen der Katholischen und der Orthodoxen Kirche.
Zum Abschluss des Besuchsprogramms reihte sich Patriarch Kirill in die große Schar der orthodoxen Pilger ein, die alljährlich am 18.8., am Vorabend des Festes der Verklärung nach julianischem Kalender, nach Grabarka kommen, dem in Ostpolen gelegenen „Berg der Verklärung“, um zu beten und ein Holzkreuz aufzustellen. Im Jahr 1947 wurde an diesem wichtigsten Wallfahrtsort der orthodoxen Gläubigen in Polen das Martha- und Maria-Nonnenkloster gegründet.
An diesem heiligen Ort, an dem „sich keine historischen Monumente befinden, keine erlesenen Kunstwerke von Menschenhand, und alles sehr einfach ist“, so der Patriarch in seiner Predigt, haben sich 10.000 Pilger aus ganz Polen und darüber hinaus versammelt, unter ihnen erstmals höchste katholische Würdenträger und politische Repräsentanten. Auf diesem heiligen Berg stellte der Patriarch in bewegenden Worten das gemeinsam mit Erzbischof Józef Michalik unterzeichnete Versöhnungwerk der am Berg Tabor geoffenbarten göttlichen Gnade und dem Gebet anheim: „Der Turm zu Babel lehrt uns, was aus einem Gebäude wird, das wir ohne Christus bauen. Die Menschen in Polen, Russland und der früheren Sowjetunion wissen, was daraus wird, wenn ein Staat und eine Gesellschaft ohne Gott gebaut werden. […] In einer Welt, aus der Gott verbannt ist, kann keine gerechte und gedeihliche Gesellschaftsordnung entstehen. […] So ist auch der einzige Weg, die Beziehungen zwischen zwei Nationen zu verbessern der, es mit Gottes Hilfe zu tun.“
Der Patriarch hatte seine Worte zuvor durch eine starke Geste der Anteilnahme am Leiden der katholischen Schwesterkirche unterstrichen: Er besuchte in Białystok ein Denkmal des 2010 seliggesprochenen katholischen Priesters Jerzy Popiełuszko (1947-1984), legte dort Blumen nieder und ermutigte in Begleitung des katholischen Erzbischofs der Stadt, Edward Ozorowski, die Gläubigen, für die Verständigung zwischen katholischen und orthodoxen Christen zu beten.
P. Gottfried Glaßner OSB