Karl Pinggéra/Ovidiu Ioan (Hgg.):
Rumänische geistliche Väter des 20. Jahrhunderts.
Eine Anthologie.
Paulinus Verlag Trier 2024.

720 Seiten, ISBN 978-3-79021463-5

Buchcover Rumänische Geistliche Väter

Wenige Veröffentlichungen, die zudem für den deutsch sprechenden Interessenten nur schwer zugänglich sind, befassen sich mit dem spirituellen Leben der rumänischen orthodoxen Kirche der jüngeren Zeit. Der Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Marburg machte „Rumänische Spiritualität im 20. Jahrhundert – Gelebte Tradition“ bereits im Jahr 2014 zum Thema einer Tagung. Ihr Ergebnis ist die hier vorliegende, über 700 Seiten umfangreiche Anthologie. Sie enthält in einem Vorspann zunächst das Einleitungsreferat des rumänischen Metropoliten für Deutschland und Zentral- und Nordeuropa, Serafim Joanta: „Die orthodoxe Spiritualität und die rumänische Gesellschaft im 20. Jahrhundert.“ Darin stellt er als grundlegend für die heutige spirituelle Tiefe der rumänischen Kirche die hesychastische Renaissance heraus, die dem Hl. Paisij Welitschkowksij (1722–1794) zu verdanken ist und die sich als Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen, die Rumänien im 20. Jh. erlebte, erwiesen hat (Königreich mit unterschiedlichen Facetten, Sozialistische- bzw. Volksrepublik, Republik). In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt sich aus dieser Tradition das Kloster Antim in Bukarest mit dem in ihm beheimateten Gebetskreis „Brennender Dornbusch“ zum führenden Zentrum der Erneuerung des geistlichen Lebens der rumänischen Kirche. Im zweiten Beitrag des Vorspannes befasst sich Andreas Müller (Professor für Kirchengeschichte an der Universität Kiel) mit einem zentralen Thema der orthodoxen Spiritualität, der geistlichen Lebensbegleitung, und geht hier vor allem – den Hauptteil vorbereitend – auf die „geistliche Vaterschaft“ allgemein, sowie in ihrer rumänischen Ausprägung ein. Im Hauptteil stellen 13 unterschiedliche Autoren ebenso viele geistliche Väter des 20. Jh. vor. In der etwa gleichen Reihenfolge: Biografisches, geistliches und theologisches Profil, Literatur und Schriften lernen wir hier geistliche Väter aus unterschiedlichen Klöstern Rumäniens kennen, die dort zu den großen geistlichen Gestalten zählen, im deutschen Sprachraum aber kaum bekannt sind. Als einer, der im Westen zumindest dem Namen nach bekannt ist, sei stellvertretend Cleopa Ilie (1912–1998) aus dem Kloster Sihastria genannt. Die Porträts sind gut zu lesen und geben einen aufschlussreichen Einblick in die Zeit und Lebensumstände der Väter; naheliegenderweise setzt jeder Autor hier seine eigenen Schwerpunkte. Ausführliche Auszüge aus ihren Schriften geben einen umfassenden Einblick in ihre Denkweise und ihren Zugang zu Welt, Leben, Glauben, Gebet, Mönchtum, geistliches Leben, Ökumene und andere Themen. In ihnen spiegeln sich auch die Persönlichkeiten, ihre Lebensläufe und ihre Profession: Einsiedler, Professor, Jugendseelsorger, Schriftsteller, Abt, Beichtvater…

Das Buch erweist sich als eine ergiebige „Quelle östlicher Theologie“ und Spiritualität der Gegenwart und setzt in mancherlei Hinsicht einen Gegenpunkt zu Themen und Aspekten, die in der westlichen Kirche im Vordergrund stehen. Dabei zeigt diese sich keineswegs als museal, wie der Orthodoxie oft nachgesagt wird, sondern wieder neu als alternativ und daher belebend für jedwede Spiritualität. Da die rumänische Kirche durch ihre Geschichte und auch anderweitig der westlichen Kirche näher steht als alle anderen Ostkirchen kommt ihr – und damit auch ihrem geistlichen Leben – eine besondere Brückenfunktion zu. Der vorliegende Band ist dann einer der verbindenden Bögen. (Hanns Sauter)

Buchbesprechung: Rumänische geistliche Väter