Vom 9.9. bis 7.12.2018 lebte ich im Kloster der Hl. Elisabeth in Minsk. Ich arbeitete im Büro für Außenbeziehungen und Fremdsprachen und sprach deutsche Texte für Videos und Audios ein. Mit den Schwestern und Brüdern der Barmherzigkeit besuchte ich Wohnheime für Menschen mit Beeinträchtigungen.
Wer auf „gut Glück“ eine E-Mail an die Erstkontakt-Adresse einer Einrichtung schreibt, läuft Gefahr, keine (besonders ausführliche) Antwort zu erhalten. Ganz anders beim Kloster der Hl. Elisabeth: Die Erwiderung von Schwester Tatjana kam binnen zweier Tage. Meine Anfrage, ob ich eine Zeit lang im Kloster mitleben und mitarbeiten dürfe, beantwortete sie positiv. Wenn ich ehrenamtlich ein „posluschanie“ (eine „Aufgabe im Gehorsam“) übernähme, würden mir Kost und Logis gratis zur Verfügung gestellt. Wunderbar, dachte ich. So könnte ich tiefer in die Orthodoxie eintauchen, ordentlich Russisch lernen und mich gleichzeitig nützlich machen.
Bei einem Kurzbesuch im Februar 2018 gewann ich Einblick in fast alle Einrichtungen des Klosters, am 9. September bezog ich das Quartier für ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter/innen des Klosters. Essen durfte ich drei Mal täglich im Speisesaal der Nonnen und Klosterseelsorger, in dem ich auf reichhaltige vegetarische bzw. vegane Kost stieß, vieles aus eigenem Anbau. Um mein Wohlergehen waren die Verantwortlichen in meiner Unterkunft wie auch meine Kolleg/innen in der Deutschabteilung stets sehr bemüht.
Wo bis vor 20 Jahren ein Birkenwald war, steht heute ein Klosterkomplex mit allem, was dazu gehört: drei Kirchen, Wohnräume, ein Gästehaus, eine Schule, … Gottvertrauen erhält das Kloster, Tag für Tag.
Es kommen viele Menschen zum Kloster. Sie alle sind auf der Suche: Die einen brauchen Hilfe in existentiellen Nöten, die anderen bringen ihre kleinen und großen Fragen mit. Manche sind im Gefängnis gesessen, sind in Alkohol- oder Drogensucht gefangen, haben alles verloren, auch jeglichen Halt. Für sie wurden die klösterlichen Reintegrationsstätten gegründet, eine für Männer, eine für Frauen. Die Menschen leben an diesen Orten umgeben von Natur und erhalten bei sinnvollen Aufgaben in der Landwirtschaft und beim Umgang mit Tieren die körperliche, seelische und geistliche Hilfe, die sie individuell brauchen.
Die Nonnen, die Seelsorger und vor allem auch die Schwestern und Brüder der Barmherzigkeit, die das Werk des Klosters entscheidend mittragen, besuchen auch regelmäßig die Menschen in den Behinderten-Wohnheimen der Stadt Minsk. Ich durfte erleben, wie sie dort Hoffnung säen, wie die Menschen durch die gemeinsam verbrachte Zeit, durch die Gebete und Gottesdienste neue Lebensfreude finden.
Kreativität wird in allen vom Kloster betreuten Gruppen gefördert. Weithin bekannt ist das Kloster der Hl. Elisabeth für seine Kunstwerkstätten, in denen sozial, physisch und psychisch beeinträchtigte Menschen Arbeit finden, und für die wunderschönen Erzeugnisse dieser Werkstätten. In der Privatschule und in den Workshops der allen Kindern und Jugendlichen offen stehenden Sonntagsschule wird darstellende und bildnerische Kunst gefördert. Im Kloster gibt es mehrere Chöre für Frauen und Männer.
Auch bei den Besuchen in den Behindertenwohnheimen haben wir uns kreativ betätigt: gezeichnet, gesungen und gespielt. Besonders mit der etwa 35-jährigen Lena habe ich einige zeichnerische Werke geschaffen.
Ich weiß von Theater- und Gesangsprojekten, die mit Menschen aus den Wohnheimen, aber auch in den Reintegrationsstätten durchgeführt werden. Eines durfte ich sogar selbst miterleben: das Schauspiel „Das hässliche Entlein“ am Hof der Männer. Wie viel Zeit und Arbeit doch in die Vorbereitung dieses für sie so wichtigen Stückes gesteckt worden ist, in die farbenprächtigen Kostüme, den Gesang und die Darstellung!
Für die Herzlichkeit, mit der ich im Kloster selbst, aber besonders auch von den Menschen in den besuchten Behindertenwohnheimen aufgenommen wurde, habe ich keine Worte. Die Umarmungen, netten Worte und Gesten kamen aus den Herzen der Menschen.
Als ich dann ankündigte, dass meine Abreise kurz bevor stand, erhielt ich von allen Seiten nur die Frage: „Und wann kommst du wieder?“ – So Gott will, bald.
Christina Dietl