Die Sehnsucht nach Frieden ist angesichts des Krieges in der Ukraine mit dem furchtbaren Leid, das er im Land selbst verursacht, und den Auswirkungen, die die Menschen auch bei uns zu spüren bekommen, allgegenwärtig. Das Friedensgebet, zu dem die Phil.-Theol. Hochschule Papst Benedikt XVI. Heiligenkreuz am 24. Oktober eingeladen hatte, legte wie der Dank für und die Bitte um Frieden, die Bischof Josef Marketz am Nationalfeiertag im Wiener Stephansdom ins Zentrum der traditionellen Marienfeier rückte, davon Zeugnis ab. In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick auf das Thema Frieden in der Feier der Göttlichen Liturgie.

Das Reich Gottes ist das Reich eines Friedens, der mehr ist als die Abwesenheit von Krieg. Es ist dieses Reich des Friedens, in das die Gläubigen eintreten, wenn sie sich zur Göttlichen Liturgie versammeln und mit dem Lobpreis „Gepriesen sei das Reich des Vaters…“ empfangen werden. Wenn daraufhin der Diakon mit den Worten „In Frieden lasst uns beten zum Herrn!“ die große Friedenslitanei anstimmt, greift er die zum Gebet verdichtete Sehnsucht der Menschen nach Frieden auf, erinnert sie aber auch daran, mit einem friedvollen Herzen, ohne Groll und Gedanken der Vergeltung, vor Gott zu treten. Es geht um den Frieden im eigenen Herzen und um den Frieden
in der Kirche und in der Welt mit ihren vielfältigen Nöten und Gefahren – wie der hl. Serafim von Sarov (1759–1833) einmal gesagt hat: „Sei im Frieden mit dir selbst und um dich herum werden Tausende gerettet.“ Die inständige Bitte um den Frieden, vorgetragen vom Diakon, und der Zuspruch des Priesters „Friede euch allen!“ sind ein zentrales Element der Liturgie.

Zu den Gesängen, die zwischen den Litaneien gesungen werden, zählen an Sonn- und Feiertagen
auch die Seligpreisungen, die näherhin beschreiben, was Frieden bewirkt. Die Welt kann ihn zwar nicht geben (Joh 14,27), bewegt sich aber auf ihn zu, wenn sich die Menschen an den Worten Jesu orientieren. Beispiele dafür sind die Heiligen, derer in der Liturgie durch die Troparien, die nun gesungen werden, gedacht wird. Vor der Lesung, vor dem Evangelium und mehrmals in der Liturgie wendet sich der Priester mit dem Friedenswunsch an die Gläubigen, mit dem der Auferstandene die bei verschlossenen Türen versammelten Apostel begrüßt hat: „Friede mit euch“ (Joh 20,21). Die Gottesdienstgemeinde wird so aufgerufen, aber auch darin bestärkt, den Weg des Friedens zu gehen.

Ikone "Anklopfen"
Der Herr, der vor der Tür steht und bei uns ankommen möchte (vgl. Offb 3,20) – welche Nachricht (Schriftrolle) bringt er uns? Wie den versammelten Jüngern den Friedenswunsch des Auferstandenen (Joh 20,19.21.26)? Werden wir sein Klopfen hören und ihm öffnen? – Neu gestaltetes Ikonenmotiv von Rudi Jankovich, Feldkirch. Foto: Sauter

Die Bittlitanei richtet die Anliegen der Gläubigen auf die Ermöglichung eines Lebens in Frieden aus. Das macht der darauf folgende Friedenskuss des Priesters deutlich, der zunächst den Gegenständen gilt, mit denen das Frieden stiftende Opfer Christi dargebracht wird: Diskos, Kelch und Altar, dann, wenn anwesend, den Konzelebranten. Der Diakon nimmt den Friedensgruß auf und führt ihn weiter mit einem Aufruf zur Liebe: „Lasst uns einander lieben, damit wir in Eintracht bekennen den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist…“ Auf den Friedensritus folgt das Bekenntnis der Gläubigen zum Dreifaltigen Gott, dem Quell der Liebe und des Friedens.

Mit der Aufforderung „Haben wir Acht, dass wir das Heilige Opfer in Frieden darbringen!“ begibt sich der Priester nun an den Altar. In der Anaphora wird für alle gebetet, die in Staat und Kirche Verantwortung tragen, dass sie ihren Dienst im Sinne des Friedens ausüben: „Wir bringen diesen geistlichen Opferdienst auch dar für die heilige katholische und apostolische Kirche…, für alle, die im Staate Verantwortung tragen: Gewähre ihnen, Herr, Frieden, damit auch wir ein friedliches Leben führen können…“

Den Abschluss der Liturgie leitet der Priester mit den Worten ein: „Gehen wir in Frieden!“ Daraufhin spricht er das Entlassungsgebet: „Gib Frieden deiner Welt, deinen Kirchen, deinen Priestern, denen, die Verantwortung tragen in diesem Lande und in deinem ganzen Volke. Denn jede vollkommene Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt von oben und steigt herab von dir, dem Vater der Lichter, und zu dir senden wir empor Verherrlichung, Dank und Anbetung…“ Alle, die die Liturgie gefeiert haben und dadurch in den Frieden, den nur Gott geben kann, eingetaucht waren, werden gesendet, wie Jesus die Apostel gesendet hat (Joh 20,21). Sie haben das wahre Licht gesehen, den Geist vom Himmel empfangen, zum Glauben gefunden, Gottes Frieden verspürt. Sie sollen ihn weitertragen. (Hanns Sauter)


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Die Bitte um und das Bekenntnis zum Frieden als Eingangstor der Göttlichen Liturgie