Bernardin Schellenberger, Im Glanz des göttlichen Lichts.
Orthodoxe Mystik: Geheimnis und Herausforderung.
München 2014.
160 S.
ISBN 978-3-53262465-4
Anregungen des christlichen Ostens für die Kirche des Westens.
Der Autor stellt fest, dass in der westlichen Kirche vieles in Theologie, Frömmigkeit und Liturgie verlorengegangen ist, was die östliche Kirche bewahrt hat. Er sieht in ihr deshalb aber nicht einfach die bessere oder authentischere Tradition – die Orthodoxie hat zweifellos ihre eigenen Schwierigkeiten mit der Glaubensverkündigung in der heutigen Zeit – sondern einen Impulsgeber, die eigene Tradition bzw. das, was ihr verloren gegangen ist, neu zu entdecken. Er bezieht sich hier besonders auf die Fragen nach dem Sinn von Leben und Tod, Leiden, Schuld, Erlösung, Vergänglichkeit, Ewigkeit und auf ein einseitig verengtes Gottesbild, in dessen Gefolge Glaube und kirchliches Leben auf ihre Funktion als „Geselligkeits- und Dekorationspotenzial“ reduziert und darüber die eigentlichen Inhalte vernachlässigt werden (S. 8). Die orthodoxe Kirche hat hier in Lehre und Liturgie immer daran festgehalten, dass Gott der ganz andere ist, der sich nicht vereinnahmen lässt. Schellenberger stellt an einigen Beispielen die orthodoxe Tradition vor und zeigt an weiteren auf, dass auch in der lateinischen Tradition jene tieferen Inhalte stecken, nach denen die Menschen suchen, die aber weithin verdeckt sind. Es ist durchaus beachtlich, was hier alles als bedenkenswert und entdeckenswert vorgestellt wird. Mitunter hat man allerdings den Eindruck, dass der Autor die östlichen Traditionen vorschnell mit westlicher Brille sieht. Dass er seine Informationen über den christlichen Osten stark aus der Literatur bezieht und weniger aus eigenem Erleben, zeigen einige Stellen über die liturgische Praxis (z.B. S. 91 ff). Für einen Leserkreis, der bereit ist, Vertrautes kritisch zu hinterfragen, offen ist für neue Sichtweisen, ist und bleibt es ein anregendes Buch.
(Hanns Sauter)