100 Jahre nach der Auflösung des Kriegsgefangenenlagers Spratzern (Frühjahr 1919) gedachte die Stadt Sankt Pölten am 17. September 2019 des Schicksals der hier gefangen gehaltenen Soldaten, die zum Großteil aus dem Kaiserreich Russland stammten.
Die Gedenkveranstaltung begann mit einem Totengedenken der Russisch-orthodoxen Kirche, das von DDr. Johann Krammer, Priestermönch an der Wiener Nikolaus-Kathedrale, mit Erzdiakon Viktor Schilowsky zelebriert und vom Russischen Chor Wien unter der Leitung von Ekaterina Maleina musikalisch gestaltet wurde.
Bemerkenswert ist der Ort dieser Feier: Die von russischen Gefangenen, die ab Frühjahr 1915 in das Lager Spratzern kamen, aus Holz gezimmerte und von ihnen als Gebetsraum verwendete Kapelle. Bereits 1914 war mit der Errichtung des Lagers entlang der Bahnlinie St. Pölten–Traisen begonnen worden. Es entstand eine Barackenstadt mit mehr als 500 Gebäuden für eine Belegstärke von 50.000 Mann. Insgesamt waren über den Zeitraum vom 26. Juli 1915 bis 1. Juli 1919, in dem das Lager offiziell bestand, wohl mehr als 75.000 Mann untergebracht, 80–90% der Gefangenen kamen aus Russland.
Die Lagerkirche wurde nicht wie das übrige Lager 1918/19 abgetragen, sondern nach Zagging transferiert, wo sie heute noch als Ortskapelle dient. Dem Totengottesdienst an diesem denkwürdigen Ort folgte die Gedenkfeier mit feierlicher Kranzniederlegung auf dem Soldatenfriedhof Hart, wo mindestens 1820 Insassen des Lagers Spratzern ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
Die von Mag. Thomas Lösch aus dem Totenbuch des Soldatenfriedhofs erhobenen und auf Schautafeln gemeinsam mit Fotos aus dem Lager dokumentierten Angaben zu den Verstorbenen machten schließlich das Volksheim Spratzern als dritte Station zu einem würdigen Gedenkort. Univ.-Doz. Dum-Tragut konnte in ihren Vortrag den fünf (von zehn) in Spratzern stationierten Armeniern, deren Nachfahren in Armenien aufgefunden wurden, sowie weiteren vier als vermisst geltenden und nicht zurückgekehrten, aber aufgrund der Angaben im Totenbuch und in russischen Archiven ausgeforschten armenischen Gefangenen ein Gesicht geben.
Diakon: „Verleihe, o Herr, die ewige Ruhe Deinen selig entschlafenen, in diesem Kriegsgefangenenlager verstorbenen Dienern und schenke ihnen Dein ewiges Gedenken!“ – Chor dreimal: „Ewiges Gedenken!“