Judith Herrin:
Ravenna.
Hauptstadt des Imperiums, Schmelztiegel der Kulturen.

Wissenschaftliche Buchgesellschaft Theiss 2022.
640 Seiten, IBSN 978-3-8062-4416-8

Buchcover Herrin: Ravenna

Ravenna ist wegen der Mosaiken seiner Kirchen in aller Welt bekannt. Weniger bekannt ist die politische und kirchliche Bedeutung dieser Stadt, die seit der Spätantike in vielerlei Hinsicht eine den Westen und den Osten des römisch/byzantinischen Reiches einzigartig verbindende Stellung eingenommen hat. Zurückzuführen ist das u.a. auch darauf, dass die kirchlichen Bauwerke dieser Zeit gut, die weltlichen meistens nur in Fragmenten erhalten geblieben sind und daher das Interesse an ihnen und an das staatliche oder städtische Leben, das sie repräsentierten, geringer ist. Die angesehene britische Byzantinistin Judith Herrin stellt hier nun die Geschichte und das Leben dieser Stadt in ihrer Blütezeit zwischen dem 4. und dem 9. Jh. lebendig dar und ordnet es in die größeren Zusammenhänge der Geschichte ein. Somit erhält der Leser auf über 500 Seiten erhält einen Überblick über das Leben im Mittelmeerraum und darüber hinaus, über Persönlichkeiten, die es prägten und wird einbezogen in die Vorgänge, die die Menschen von damals beschäftigten. Dabei sind kirchliche und politische  Themen eng miteinander verbunden, wie z. B. die Auseinandersetzung mit dem Arianismus die kirchliche und weltliche Machthaber führten, von denen auch das Miteinander des römischen Reiches mit den Reichen der Goten und Langobarden, die im Mittelmeerraum existieren, betroffen waren. Auch das Alltagsleben Ravennas dieser Zeit, soweit sich darüber etwas sagen lässt, wird dargestellt. Die Blütezeit Ravennas endet zwar mit dem Ende des 8. Jh., doch lebt sie weiter durch Karls d. Gr., der aus der Vergangenheit der Stadt, sowie ihrem  Geistes-, Kultur- und Kunstleben viel für sein Reich übernommen hat – spürbar ist dies bis in das Europa von heute. Die Autorin zeigt eine große Begabung darin, sich auf ein kaum erforschtes Territorium der Geschichte einzulassen und das Ergebnis ihrer Forschungen auf gut durchdachte Weise einem breiteren Interessentenkreis weiterzugeben. Gut gelungen ist ihr auch, die Verflochtenheit von kirchlichen und politischen Interessen der damaligen Zeit darzustellen, aber auch das Mit- oder Gegen- oder Nebeneinander von Christen der orthodoxen und der arianischen Prägung (Konfession). Daraus lassen sich durchaus auch Schlüsse ziehen im Blick auf die Beziehungen der christlichen Konfessionen heute. (Hanns Sauter)

Buchbesprechung Herrin: Ravenna