Liebe Freunde des Andreas-Petrus-Werks!

Die über dem Grab Jesu Christi in Jerusalem erbaute Kirche, in der westlichen Tradition als „Grabeskirche“ bezeichnet, in der östlichen Tradition als „Anastasis“ („Auferstehungskirche“), wird von sechs christlichen Konfessionen mit genau festgelegten Zuständigkeiten bezüglich Ort und Zeit der verschiedenen Gottesdienste verwaltet – dem berühmten „Status quo“ von 1852. Die Hauptverwaltung liegt bei der Griech.-orth. Kirche, der Röm.-kath. Kirche, vertreten durch die Franziskaner, und der Armen.-apostol. Kirche. Im 19. Jahrhundert kamen die Syr.-orth., die Kopt.-orth. und die Äthiop.-orth. Tewahedo-Kirche mit kleineren Bereichen und Aufgaben hinzu. Äthiopische Mönche leben seither als kleine Gruppe auf einem Dach der Kirche. Genau an diesem besonderen, auch umstrittenen, restaurierungsbedürftigen und seit 2004 als einsturzgefährdet geltenden Ort, im Deir-al-Sultan-Kloster, hatte ich im Verlauf einer Heiligland-Reise meine erste Begegnung mit Äthiopien.

Kirche Aksum Mariam Zion
Die Kapelle neben der Kirche der Heiligen Maria vom Zion in Aksum, der alten Kaiserstadt Äthiopiens, gilt als Aufbewahrungsort der Bundeslade. Einmal im Jahr, am 30. November, wird hier im Rahmen eines großen Pilgerfestes von Tausenden von weiß gekleideten Pilgern Maria als neue Bundeslade geehrt und eine mit Seidentüchern verhüllte Nachbildung des „Tabot“, wie die Bundeslade in Äthiopien genannt wird, in feierlicher Prozession durch die Straßen getragen. – Foto: Wikimedia Commons.

Das Land am Horn von Afrika machte zuletzt durch die Verleihung des Friedensnobelpreises an den äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed von sich reden. In der Tat verdienen die Friedensinitiativen, die der junge Regierungschef seit seinem Amtsantritt im April 2018 gesetzt hat, Beachtung: Er hat nicht nur die seit langem währenden Feindseligkeiten mit Eritrea beendet, auch die Versöhnung zwischen dem in Äthiopien am­tierenden Patriarchen Mathias I. und dem 1991 abgesetzten und in die USA emigrierten Patriarchen Merkurios geht auf seine Initiative zurück. Bei allen Problemen, mit denen der Vielvölkerstaat Äthiopien zu kämpfen hat, ist hier etwas in Bewegung gekommen, das wir als Christen zurecht mit Ostern in Verbindung bringen. Die ökumenische Versöhnungskonferenz von Vertretern der Äthiop.-orth. und Äthiop.-kath. Kirche unter Federführung von Pro Oriente in Addis Abeba im Mai 2019 darf in gleicher Weise für sich in Anspruch nehmen, einem neuen Ostern und einem neuen Pfingsten in Äthiopien den Weg bereitet zu haben. Möge die besondere Beziehung der Äthiopier zum Zion und zur hl. Stätte der Auferstehung in Jerusalem zur Quelle werden, aus der Friede und Versöhnung fließen.

Der Rundbrief, den Sie, liebe Leserinnen und Leser, in Händen halten, bringt Ihnen – hoffentlich – wieder Interessantes und Wissenswertes aus der Welt des Christlichen Ostens ins Haus. Es würde mich freuen, wenn er auch Ihre Empathie mit den Menschen in diesen Ländern und Ihre Solidarität mit einer Welt vertiefen kann, die uns in mancher Hinsicht fremd bleiben mag und doch einen unerschöpflichen Reichtum bereit hält, der es lohnt, gehoben zu werden.

CHRISTUS ist auferstanden – ER ist wahrhaft auferstanden!

P. Gottfried Glaßner OSB

Folgende Rundbrief-Artikel finden Sie auf unserer Website:

Sie können den Rundbrief auch als PDF-Datei hier anschauen und herunterladen.

Aus dem Rundbrief 2020/1