Liebe Freunde des Andreas-Petrus-Werks!

rundbrief2013-01

Weihbischof Helmut Krätzl charakterisiert treffend das Charisma des am 29. Jänner 2013 verstorbenen Innsbrucker Altbischofs Reinhold Stecher, wenn er über ihn sagt, er „malte nicht nur hervorragende Bilder, er schrieb auch in Bildern“ (Nachruf in der Wochenzeitung „Die Furche“). Ein Bild prägte sich mir aus den anlässlich seines Ablebens wiederholt ausgestrahlten Filmausschnitten besonders ein: Wie er, den Wanderstock in der Hand, sicheren Schritts einen munter fließenden Gebirgsbach entlang der Höhe zustrebt. Die Tiroler Bergwelt und immer wieder das Wasser als ihr vielleicht größter Reichtum, donnernd über die Felsen stürzend oder ruhig im Tal dahinfließend, wusste er so ins Bild zu bringen, dass aus ihnen wie aus dem einen Spalt weit geöffneten Himmel ein Strahl göttlichen Glanzes aufleuchtete.

Die „Wortgewalt“, die aus Bischof Stechers Bildern spricht, berührt sich mit der Art und Weise, wie die Bilder der Ostkirche, die Ikonen, das göttliche Geheimnis zum Leuchten bringen. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie der Einbruch der göttlichen Wirklichkeit in die Welt ins Bild gesetzt, ja zum Thema und eigentlichen Verkündigungsinhalt erhoben wird, ist die Darstellung der Taufe Jesu im Jordan. Im unten abgebildeten Fresko aus der rum.-orth. Andreas-Kirche in Wien-Simmering wird der senkrecht mit der Geisttaube auf Jesus herabkommende göttliche Strahl mit den durch die Felsformationen in die Tiefe stürzenden Wassern zur Scheidelinie, die das Bild in zwei Hälften teilt: links der Boden, auf dem Johannes (mit zwei seiner Jünger) steht und wo die Axt an der Wurzel des Baumes auf seine Botschaft des nahen Gerichts weist, und rechts die Landschaft mit den assistierenden Himmelsboten, in der Mitte Jesus, der zwischen den Welten im Wasser stehend den un­überwindlichen Graben zwischen Gott und Mensch und zugleich die Tür markiert, in der sich Gott dem Menschen offenbart.

Durch das Wasser hindurch gerettet wie das Volk Israel beim Auszug aus Ägypten, gereinigt und gesalbt mit Heiligem Geist – das begründet eine Beziehung, die den Graben zwischen dem, was bisher war, und der neuen Wirklichkeit in und durch Christus als dem von Gott geliebten Sohn überbrückt.

Mit einer Gruppe von Studentinnen und Studenten der Phil.-Theol. Hochschule St. Pölten habe ich im Rahmen einer Ostkirchen-Exkursion am 21. Mai 2011 in der Andreas-Kirche in Wien-Simmering, also in jener Kirche, in der sich dieses Wandbild der Taufe Jesu im Jordan befindet, eine von Bischofsvikar Nicolae Dura eindrucksvoll gestaltete Taufe im ostkirchlichen Ritus erlebt. Der Einbruch der göttlichen Wirklichkeit in das Leben des Neugetauften, der die Tür zum „alten Menschen“ schließt und zugleich die Tür zu einem „neuen Sein“ in Christus öffnet – in der Ostkirche sind Taufe und Geistsendung (Firmung) nicht getrennt! –, wurde hier sehr deutlich für alle mitfeiernden Gläubigen spürbar.

180 Taufen wurden im Jahr 2012 in dieser Kirche gefeiert (neben 39 Trauungen und 15 Begräbnissen), berichtet Bischofsvikar Dura. Ein ähnliches Bild einer wachsenden und lebendigen Kirche ergibt sich in der russ.-orth. Nikolauskathedrale: 157 Taufen (auch mehrere Erwachsenentaufen), 35 kirchliche Eheschließungen und 18 Begräbnisse.

Die Erinnerung an die Taufe Jesu im Jordan als Einfallstor göttlicher Wirklichkeit in unsere Welt, wie sie die Orthodoxie zum Fest der Theophanie am 6. Jänner begeht, ist seit einigen Jahren auch ein in der Wiener Öffentlichkeit wahrnehmbares Ereignis, nämlich in der Zeremonie der Großen Wasserweihe am Donaukanal. So zog der griech.-orth. Metropolit Arsenios auch heuer am 6. Jänner nach einem feierlichen Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskathedrale an der Spitze einer Prozession vom Fleischmarkt zum Wiener Donaukanal. Während ein Kreuz in das Wasser geworfen und hernach wieder herausgezogen wird, wird für die Heiligung des Wassers durch das Wirken des Hl. Geistes, für die reinigende Kraft der Hl. Dreieinigkeit in diesem Wasser und für die Erleuchtung aller durch den Hl. Geist gebetet (in orthodoxen Ländern ist der Brauch verbreitet, dass Männer nach dem Kreuz tauchen und es zurückbringen). Metropolit Arsenios hob hervor, dass an diesem Tag die Orthodoxen für die Stadt Wien beten, dass sie als Wienerinnen und Wiener in enger Verbundenheit mit dieser Stadt, mit diesem Land und mit seinen Menschen leben und dass sie für die gastfreundliche Aufnahme in Österreich dankbar sind und bleiben.

Dem Wasser der Taufe als Einfallstor des Hl. Geistes, der zu einem Leben aus dem Glauben an den dreifaltigen Gott befähigt und entlässt, möchte dieser Rundbrief Raum geben und so an das allen Kirchen gemeinsame Fundament erinnern:

„Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist.“ (Eph 4,4-6)

Was hier in einzelnen Streiflichtern aus dem Leben der Ostkirchen, ob in unmittelbarer Nachbarschaft oder in der Ferne, berichtet wird, die Tatsache, dass die Christen im Osten als Geschwister im Herrn wahrgenommen werden, da und dort auch konkret geholfen wird, und die Bereitschaft, von Ihnen zu lernen, ist Dienst an der Einheit und Rückbesinnung auf das gemeinsame Fundament des christlichen Glaubens!

Danke für Ihr Interesse und Ihre Treue.

CHRISTUS ist auferstanden – ER ist wahrhaft auferstanden!

P. Gottfried Glaßner OSB

Aus dem Rundbrief 2013/1