(aus: Rundbrief 2014/2)

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Mag. Stefan Gugerel (oben, 2. von rechts), Referent des Andreas-Petrus-Werks für das Militär-Ordinariat, berichtet im folgenden Beitrag von seinem Dienst als Militärpfarrer, der ihn vom 29. Juni 2013 bis 4. April 2014 in den Kosovo führte, wo er die ca. 400 österreichischen Soldaten der KFOR-Mission zu betreuen hatte. – Das Bild unten zeigt die Karte des Kosovo mit den österreichischen Stützpunkten.

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Die Begegnungen mit der Bevölkerung des Einsatzraumes öffneten den Blick für die wechselvolle Geschichte der Region. Gespräche mit Albanischsprachigen und Serbischsprachigen, die Besichtigung orthodoxer und katholischer Kirchen sowie verschiedener Moscheen zeigten neben der sprachlichen auch die religiöse Vielfalt des Landes. Die serbischsprachige Minderheit im Kosovo, der sich am 17. Februar 2008 für unabhängig von Serbien erklärte und bisher von 107 der 193 UNO-Mitgliedstaaten anerkannt wurde, ist mehrheitlich serbisch-orthodox.

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Historisch gesehen sind es vor allem drei Orte im Kosovo, die für das serbische und serb.-orth. Selbstbewusstsein von größter Bedeutung sind. Diese Orte werden regelmäßig auch von serb.-orth. Christen aus Serbien und dem Rest der Welt besucht: Das Kosovo polje (Amselfeld), das Kloster Dečani und das Patriarchenkloster in Peć. Alle drei Orte waren (neben anderen serbischen Einrichtungen) mehrfach Übergriffen seitens albanischer Extremisten ausgesetzt. Das Kloster Dečani (Foto oben) blieb aufgrund der mächtigen Außenmauer und intensiver Bewachung durch italienische KFOR-Soldaten relativ unversehrt. Es wurde 2004 zum Weltkulturerbe erklärt und wie 2006 das Patriarchenkloster in Peć (Foto unten) zugleich in die Rote Liste des gefährdeten Welterbes eingetragen. Zum Amselfeld, wo das Gazimestan ge­nannte Denkmal-Ensemble an die schicksalhafte Schlacht vom 15. Juni 1389 erinnert und das durch die 600-Jahr-Feier der Schlacht am 28. Juni 1989 (Veitstag nach julianischem Kalender) zu einem symbolträchtigen Ort der serbischen Nationalbewegung wurde, siehe unten.

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Im Kloster Dečani wird ein Kronleuchter gezeigt, der aus den Waffen der Schlacht auf dem Amselfeld geschmiedet worden sein soll. Das Kloster selbst wurde 1328–1335 als Stiftung des serbischen Königs Stefan Uroš III. gebaut, der dort auch begraben ist. Dieser serbische König, der sein Reich als Großmacht an der Seite Bulgariens und Byzanz’ etablierte, wird als Heiliger verehrt. Seine Reliquien, die in der Klosterkirche ausgestellt werden, sind Ziel zahlreicher Wallfahrten. Aufgrund der ihnen zugeschriebenen Heilkräfte besuchten auch Katholiken und Muslime vor dem Kosovokrieg regelmäßig diesen Ort.

Im Kloster Peć befindet sich der eigentliche Sitz des Patriarchen, dessen Titel offiziell „Erzbischof von Peć, Metropolit von Belgrad und Karlovci und serbischer Patriarch“ lautet. Seit 1253 Erzbischofssitz, seit 1346 Patriarchatssitz ist die Kirche auch Grablege der frühen serbischen Patriarchen und bis heute Ort der Inthronisation des neuen Patriarchen. Mit seinen Kunstschätzen, Gräbern und Schreinen gilt es als Schatzkammer serbischer Geschichte und heiligster Ort der Serb.-orth. Kirche.

Alle drei Orte wurden regelmäßig von österreichischen Soldaten besucht, die sich für die Geschichte des Einsatzraumes und die orthodoxe Tradition interessierten. Dabei wurden wir jeweils von den Mönchen in Dečani und den Nonnen in Peć sehr gastfreundlich empfangen und kompetent in die Geschichte und spirituelle Bedeutung der Orte eingeführt.


„Ein Feld wie kein zweites, Himmel darüber, Himmel darunter.“

(Vasko Popa im Gedicht „Kosovo polje“)

Das Amselfeld ist ein 84 km langes, 500 bis 600m über dem Meeresspiegel gelegenes Becken nahe der Stadt Priština. Hier treffen die Einzugsgebiete der Adria, der Ägäis und des Schwarzen Meeres aufeinander.

Nachdem Zar Stefan Uroš V. im Jahr 1371 kinderlos verstorben war, zerfiel das bereits geschwächte serbische Reich in einzelne Fürstentümer, unter denen nur das wirtschaftlich und politisch wichtige Fürstentum von Lazar Hrebeljanovi? der von Sultan Murat I. betriebenen osmanischen Expansion widerstehen konnte.

1389 sammelte sich das osmanische Heer bei Plovdiv und zog nach Priština. Fürst Lazar kam mit seinen Truppen, ca. 25.000 Mann, aus Kruševac auf das Amselfeld. Südlich des Flusses Lab trafen beide Heere aufeinander. Wie an der Darstellung der Schlachtordnung am Gazimestan ersichtlich, führte Fürst Lazar die Streitkräfte im Zentrum an, Fürst Vuk Brankovi? die Streitkräfte des rechten Flügels und der bosnische Feldherr Vlatko Vukotić die Streitkräfte des linken Flügels. In der unmittelbaren Rezeption galt die Schlacht als unentschieden, was vor allem dem Tod beider Heerführer geschuldet ist. Stellt man die politischen Folgen in Rechnung, nämlich die faktisch errungene Oberhoheit der Osmanen über den Balkan und die Verdrängung der Serben aus ihrem angestammten Siedlungszentrum nach Norden, ist die Schlacht am Amselfeld als Sieg der Osmanen zu werten.

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In Serbien hat die Schlacht am Amselfeld eine ausgeprägte Erinnerungskultur hervorgebracht, die besonders nach dem Aufbrechen des serbischen Nationalbewusstseins im 19. Jahrhundert blühte. Seit dem 20. Jahrhundert wird der „Vidovdan“ (Veitstag) am 15. bzw. nach julianischem Kalender am 28. Juni feierlich begangen, 1939 erstmals in einem Staatsakt. 1953 entstand das Gazimestan, der Denkmalkomplex mit dem an einen mittelalterlichen Donjon erinnernden Turm im Zentrum.

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Stefan Gugerel

Kosovo: Im Einsatz für den Frieden an der Wiege der Serbisch-orthodoxen Kirche