Kreta Konzil 2016

(aus Rundbrief 2016/2)

Die Vorbereitungen auf das Panorthodoxe Konzil gehen auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Seit dem letzten großen Konzil in Nizäa 787 war viel geschehen: Der Riss zwischen den Kirchen der byzantinischen Tradition und der Kirche von Rom, der Fall von Konstantinopel im Jahr 1453, die Gründung weiterer autokephaler orthodoxer Kirchen wie der serbischen, der russischen und der rumänischen Kirche.

Der Ökumenische Patriarch Joakim III. schrieb 1902 an die Häupter aller autokephalen Kirchen und berief einen panorthodoxen Theologenkongress ein. Die Bemühungen scheiterten in der Folge an weltpolitischen Umbrüchen (Balkankriege, Erster Weltkrieg, Oktoberrevolution in Russland, Zusammenbruch des Osmanischen Reichs, Zweiter Weltkrieg). Erst ab 1961 nahmen sie mit den Konferenzen auf Rhodos wieder Fahrt auf. Die eigentlichen Konzilsvorbereitungen begannen 1971.

In jahrzehntelanger Arbeit wurden im Dialog mit den Herausforderungen der Zeit (Nationalismen, Revolutionen, der Diaspora-Situation, dem Fall des Eisernen Vorhangs, dem Säkularismus, der Wiederbelebung der Orthodoxie in Osteuropa, den Spannungen in der Ukraine, dem Ruf einzelner Kirchen nach Autokephalie und der Verfolgung der Christen im Nahen Osten) im Orthodoxen Zentrum in Chambésy die Fundamente gelegt, die in die „vorkonziliaren Dokumente“ eingingen, die zwischen 2009 und Jänner 2016 bei Treffen der 14 autokephalen Kirchen in der Schweiz verabschiedet wurden. Am 27. Jänner 2016 wurde auch die „Organisations- und Arbeitsordnung des Heiligen und Großen Konzils“ beschlossen, die dem Ökumenischen Patriarchen als „primus inter pares“ wichtige Vorrechte einräumte und der nur das Patriarchat von Antiochien die Unterschrift verweigerte. Sechs Themenbereiche kamen auf die Agenda: 1) das Zeugnis und der Auftrag der orthodoxen Kirche in der heutigen Welt, 2) die orthodoxe Diaspora, 3) die Autonomie der orthodoxen Kirchen und die Art und Weise ihrer Ausrufung, 4) das Sakrament der Ehe und Ehehindernisse, 5) Sinn und Praxis des Fastens, 6) die Beziehung der Orthodoxie zu anderen christlichen Kirchen.

Obwohl heikle und kontrovers diskutierte Themen ausgespart blieben und man durch die Verlegung des Tagungsorts von Istanbul nach Kolymvari auf Kreta der Russischen Orthodoxen Kirche entgegenkam, entschieden sich die Kirchen von Antiochien, Bulgarien, Georgien und schließlich auch Russland gegen eine Teilnahme und brachten mit ihrer kurzfristigen Absage das Konzil an den Rand des Scheiterns. Aber das Konzil fand statt und die Tatsache, dass es stattgefunden hat, dass in der Vorbereitungsphase immerhin alle 14 autokephalen orthodoxen Kirchen miteinander geredet haben, ist vielleicht der eigentliche Erfolg. Erzdiakon John Chryssavgis, der beim Konzil als Pressesprecher des ökumenischen Patriarchen fungierte, bezeichnete das Gesprächsklima beim Konzil als ein „Wunder des Geistes“, denn den Bischöfen aus den verschiedenen Kirchen war es möglich, in einem Geist der Brüderlichkeit und „in neuen Zungen“, „in einer Sprache respektvollen Austausches“ miteinander zu sprechen wie seit Jahrhunderten nicht. Metropolit Kallistos Ware meinte, es sei nicht möglich, die Probleme der Orthodoxie in 10 Tagen zu lösen, aber es kann der Beginn eines Dialogprozesses sein.

Das Konzil wurde in großer Konzelebration der Hierarchen durch die feierliche Liturgie zum Pfingstfest in der Kirche St. Peter und Paul in Chania eröffnet und am Sonntag 26. Juni an diesem symbolträchtigen Ort in gelöster Atmosphäre beschlossen (Foto): Die Ikone Petrus und Paulus in gegenseitiger Umarmung ist das Urbild der Ikone der Apostelbrüder Petrus und Andreas, die Patriarch Athenagoras Papst Paul VI. als Geschenk überreichte! Möge „das Reden mit neuer Zunge“ andauern und in den Strukturen der Synodalität neue Wege zur Einheit öffnen.

John Reves


Lesenswerte Überlegungen zum Panorthodoxen Konzil finden sich im aktuellen Magazin von PRO ORIENTE. Andrej Ćilerdžić), Bischof der Serb.-orth. Kirche in Österreich, Italien, Malta und der Schweiz mit Sitz in Wien (seit 2014), der als Vertreter Österreichs am Konzil teilnahm, schreibt: „Ich reiste mit der Hoffnung nach Kreta, dass der Auftritt aller Bischöfe so sein würde, dass man überall den tiefen Glauben der Orthodoxie spüren und dem Heiligen Geist Raum lassen möge, um zu wirken. Für mich ist nämlich ein Kirchenkonzil ein Pfingstereignis… Der Sinn der Synode war, das immer neue und immer alte Evangelium Christi über das Heil zu verkünden…“

Bemerkenswert sind die Eindrücke von Dr. Barbara Hallensleben, Professorin für Dogmatik und Ökumene an der Universität Freiburg/Schweiz, die sie an der Spitze einer Delegation des Instituts für Ökumenische Studien aus Kolymvari mitgenommen hat: „Die Differenz zwischen den Pressemeldungen aus der Ferne und dem Erleben vor Ort war erheblich. Hier waren Menschen anzutreffen, die in den Möglichkeiten und Grenzen der Umstände ein reales Ereignis mitgetragen und mitgestaltet und die ‚Hitze der Tage‘ auf sich genommen hatten.“ Beim Vorhaben, eine vollständige Dokumentation des Konzils auch auf Deutsch herauszubringen, entschied man sich, das griechische Wort σύνοδος durchgehend mit „Synode“ wiederzugeben „und auch für die Ereignisse zu verwenden, die uns als ‚Ökumenische Konzilien‘ vertraut sind, während die englischen und französischen Versionen von ‚council‘ bzw. ‚concile‘ sprechen. Aus orthodoxer Perspektive wird zwischen der regulären primatialen und synodialen Leitungsstruktur der Kirche einerseits und dem außerordentlichen Ereignis eines Konzils andererseits nicht unterschieden. Die Orthodoxe Synode von Kreta will vor allem die Praxis der Synodalität auch auf der weltweiten Ebene der Oikoumene neu bekräftigen und im regelmäßigen Rhythmus etablieren… Entscheidend ist: Niemand kommt mehr an dem realen Ereignis der Synode vorbei.“

Buchtipp:

Einheit in Synodalität.
Die offiziellen Dokumente der Orthodoxen Synode auf Kreta 18. bis 26. Juni 2016, hg. von Barbara Hallensleben (Epiphania Egregia 12).
Münster 2016. € 12,-. ISBN 978-3-402-12068-2

Gottfried Glaßner OSB

Pfingsten und das Panorthodoxe Konzil in Kreta (18.–27.6.2016) – Einheit in Synodalität?